Meine Geschichte
Mit 6 Jahren habe ich erstaunt festgestellt, dass ich mich in Mädchenkleidung deutlich besser fühlte. So fühlte ich mich richtig! Bis dato kannte ich nur das Gefühl, dass ich irgendwie nicht richtig war, ohne dass ich benennen hätte können was es war. Ich habe mich als Kind gehaßt. In Frauenkleidung war das wie weggeblasen, plötzlich war ich richtig, plötzlich konnte ich „Ja“ zu mir sagen. Das war ein einschneidendes Erlebnis.
Damals in den Anfang 70er Jahren war es jedoch undenkbar (für mich) dies in der Familie oder gar öffentlich auszuleben. Daher ging es nur heimlich und damit nur selten, aber dann hatte es etwas von Verbotenem, von etwas, für das man sich schämen musste. Auch war die Spannung dann jedes Mal so groß, dass es schließlich eine Nothandlung war und quasi aus mir heraus brach und mich oft genug in schwierige Situationen brachte.
Für das, was ich dabei erlebte gab es auch keine Worte, keine Begrifflichkeit. Ich dachte, dass ich wohl irgendwie etwas pervers veranlagt war oder zumindest verrückt war. Womit es noch wichtiger war es heimlich und unerkannt zu tun. Als Kind habe ich sehr unter dieser Situation gelitten.
Als Jugendlicher habe ich mehrmals den Versuch gestartet mit Freunden oder vertrauten Erwachsenen darüber zu reden, jedoch endete es jedes Mal in einem Desaster. Den letzten Versuch startete ich mit meinem Seelsorger. Damals war ich noch engagiert in christlich, „erweckten“ Kreisen. Die darauf folgende Teufelsaustreibung markiert für mich das Ende meiner christlichen „Karriere“.
Die ganzen Jahre habe ich versucht mein Bedürfnis Frauenkleider anzuziehen und mich darin wohl zu fühlen zu verdrängen. Das war auch noch so, als ich geheiratet habe. Ich dachte: „Jetzt brauche ich das hoffentlich nicht mehr!“ Weit gefehlt! Ich habe mich gegenüber meiner Frau geoutet. Damals meinte ich noch: „ich bin wohl Transvestit“, denn das war der Begriff, den ich für mich akzeptieren konnte. „Transgender“ gab es noch nicht und „transsexuell“ war mir ein Schritt zuviel. Mit 30 Jahren ging ich dann in Psychotherapie. Inzwischen habe ich fast 30 Jahre Therapie hinter mir sowie eine eigene musiktherapeutische Ausbildung und inzwischen weiß ich und akzeptiere, dass ich Transgender bin, dass mein angeborenes körperliches Geschlecht nicht mit meiner Identität übereinstimmt.
Sowohl meine Frau, als auch meine Kinder kennen und akzeptieren mich als Sabine, aber ich selbst habe lange Jahrzehnte dazu gebraucht. Erst als meine Frau 2022 starb und damit mein wichtigster Halt im Leben weggebrochen ist, wurde mir klar, dass ich nur weiterleben kann, wenn ich voll und ganz zu mir stehe. Nun bin ich seit Februar 2023 geoutet und lebe inzwischen die meiste Zeit als Sabine.
Das Leben ist ein einziger Versuch und wo es mich hinführt werde ich sehen, aber eines ist sicher:
Leben bedeutet Veränderung!